Die Employee Self Services bei Swisscom: Ein Best Practice Beispiel, präsentiert von der Avenir Group
In unserer neuen Avenir-Interviewreihe präsentieren prägende HR-Köpfe im monatlichen Rhythmus Best-Practices aus dem Schweizer Markt. Den Auftakt macht Swisscom HR COO Frédéric Bracher . Zusammen mit seinem Team hat er Swisscom in den letzten Jahren zu einem Leuchtturm im Bereich der «Employee Self Services» aufgebaut.
Im Interview mit der Avenir Group hebt er insbesondere seine Strategie der kleinen Schritte hervor und beschreibt sein Vorgehen anhand praktischer Beispiele.
Avenir: Lieber Fred, wir berichten in diesem Interview wie fortschrittlich Swisscom im Bereich «Employee Self Services» ist. Kannst du mir ein Beispiel nennen, damit wir uns eine Vorstellung machen können?
Bracher: Ich denke, ein gutes Beispiel für einen Self-Service-Prozess, bei dem keinerlei Interaktionen durch HR-Mitarbeitende erforderlich sind, ist die Änderung des Beschäftigungsgrades. Davon haben wir aktuell ca. 1’000 pro Jahr. Dabei gibt der Mitarbeitende die gewünschte BG-Änderung direkt in unserem Self-Service-Tool ein und bestätigt, dass diese mit der Führungskraft abgestimmt ist. Die Führungskraft erhält dann eine Benachrichtigung per E-Mail und muss nur reagieren, wenn sie mit der Änderung nicht einverstanden ist.
Im nächsten Schritt wird der angepasste Vertrag automatisch erstellt und elektronisch per Workflow zugestellt. Sobald der Mitarbeitende den Vertrag elektronisch unterzeichnet, wird dieser vollautomatisch im Personaldossier abgelegt und der Ferienanspruch neu berechnet.
Avenir: Digitalisierung ist eins – aber es müssen ja auch die Prozesse mitspielen. Habt ihr da einen besonderen Weg eingeschlagen?
Bracher: Bei Swisscom verfolgen wir seit Jahren einen iterativen Optimierungsprozess, der nicht nur die Effizienz im Bereich HR-Operations steigert, sondern vor allem auch die User Experience für unsere Mitarbeitenden und Führungskräfte verbessert.
Unser Ansatz basiert auf den Prinzipien von Lean Management und Human-centered Design, wobei wir stets hinterfragen, ob bestehende Prozesse neu gedacht oder vereinfacht werden können. Wichtig für uns ist hier die Strategie der kleinen Schritte: Wir führen Step-by-Step Optimierungen ein, entwickeln neue Funktionen und setzen dabei auf interne Lösungen, die speziell auf die Bedürfnisse unserer Mitarbeitenden zugeschnitten sind.
Wichtig: Die Strategie der kleinen Schritte kombinieren wir mit der Suche nach Synergien im digitalen Bereich. Unser hauseigenes Produkt der elektronischen Signatur haben wir in diesem Kontext Schritt für Schritt in die Self-Services integriert, so auch in den Zeugnisprozessen, in einem ersten Schritt für Zwischenzeugnisse und später dann für die Abschlusszeugnisse.
Avenir: Mit der Einführung von ESS verfolgen viele Unternehmen das Ziel, den Aufwand im HR signifikant zu reduzieren. Kannst du uns einen Anhaltspunkt zum wirtschaftlichen Erfolg geben?
Bracher: Wir bewerten systematisch die Rentabilität unserer Massnahmen. Dafür erstellen wir zu Beginn eines jeden Projektvorhabens einen Mini-Business Case und konzentrieren uns auf Anwendungsfälle, die schnell einen Mehrwert bieten. Nach erfolgreicher Implementierung überprüfen wir, ob effektiv eine Einsparung erzielt werden konnte.
Als Konsequenz dessen verzichten wir bewusst auf Projekte, die sich nicht zeitnah amortisieren oder deren Nutzen begrenzt ist. Wir wollen Zeit einsparen. Diese können wir dann in wertschöpfende Aktivitäten investieren oder es uns leisten, Stellen bei natürlicher Fluktuation nicht nachzubesetzen. Unser übergreifendes Ziel ist es eben, überall dort effizienter zu werden, wo repetitive Aufgaben in hoher Stückzahl anfallen. So können wir am Ende des Tages die Gesamtkosten stabil halten und unsere Wertschöpfung stetig erhöhen.
Avenir: Und wie haben die Mitarbeitenden reagiert, als eure ESS-Lösung eingeführt wurde? Am Schluss haben sie gegebenenfalls mehr Aufwand.
Bracher: Wenn wir unseren Job richtig machen und effiziente sowie intuitive Prozesse gestalten, reduzieren wir den Aufwand sowohl für Mitarbeitende als auch für Führungskräfte. Natürlich gibt es bei Veränderungen immer unterschiedliche Reaktionen. Uns ist es wichtig, alle Zielgruppen zu berücksichtigen. Bei Swisscom haben wir beispielsweise Mitarbeitende, die keinen Laptop nutzen. Für diese Gruppe entwickeln wir spezielle Lösungen, um sicherzustellen, dass auch sie von den ESS-Prozessen profitieren können. Wichtig ist das Bewusstsein, dass wir bei der Einführung von ESS-Lösungen nicht alle von Anfang an zufriedenstellen können. Doch mit der Zeit werden neue Prozesse zur Normalität. Dabei sind wir natürlich auch aufmerksam und prüfen das Feedback der Mitarbeitenden im Hinblick auf weitere Prozessverbesserungen.
Ich greife nochmal das Beispiel der elektronischen Signatur für Zeugnisse auf. Anfangs gab es Bedenken, dass dies ungewohnt sein könnte. Heute stellt niemand mehr die Sinnfrage, da das Verfahren nicht nur effizienter, sondern auch sicherer ist. Zusätzlich bieten wir ausgetretenen Mitarbeitenden die Möglichkeit, auch nach ihrem Austritt auf bestimmte Dokumente aus ihrem Personaldossier zugreifen zu können. Das wird als klarer Vorteil wahrgenommen und erhöht die Akzeptanz unserer ESS-Lösungen.
Avenir: Nicht nur Avenir nimmt euch in diesem Bereich als Best-Practice wahr. Auch andere Kunden schauen regelmässig bei euch vorbei. Was sind so die typischen Reaktionen?
Bracher: Intern wird das bisher Erreichte schnell zur Normalität und unser Fokus richtet sich rasch auf andere Themen mit Verbesserungsbedarf. Doch wenn wir uns mit anderen Unternehmen austauschen, wird uns bewusst, auf welchem Reifegrad wir uns bewegen. Die Reaktionen sind meist beeindruckend: Viele sagen «Wow, das wollen wir bei uns möglichst rasch auch haben!».
Die Herausforderung dabei ist, dass unsere Lösungen nicht einfach kopiert werden können. Hinter unserem aktuellen Stand steckt eine jahrelange, interaktive Entwicklung, die sowohl technische als auch kulturelle Veränderungen umfasst.
Avenir: Letzte Frage: Euer ESS basiert auf SAP HCM und dem FIORI-Frontend. Nun ist es ja kein Geheimnis, dass die Swisscom auf Workday wechseln wird. Wie wird sich das auf die zukünftigen ESS-Services auswirken?
Bracher: Bisher haben wir mit unserer HR-IT-Strategie einen Best-of-Breed-Ansatz gewählt, bei dem wir für jedes Fachthema das jeweils beste Tool eingesetzt haben. Der Vorteil dieses Ansatzes ist die hohe Spezialisierung der einzelnen Lösungen, wenn auch zu höheren Gesamtkosten und mit einer uneinheitlichen User Experience. Zudem war die Konsolidierung von Daten nur über Schnittstellen möglich und Reports mussten in einem separaten globalen System erstellt werden.
Mit dem Wechsel zu Workday verfolgen wir das Ziel, unsere HR-IT auf eine integrierte Suite zu heben. Dadurch profitieren wir direkt von den regelmässigen Releases und können die User Experience mit weniger HR-Tools deutlich vereinheitlichen. Diesen Wechsel müssen wir jedoch ganzheitlich betrachten, da er nicht nur Vorteile, sondern auch Herausforderungen mit sich bringt. Während wir in vielen Bereichen echte Verbesserungen erzielen werden, müssen wir in bestimmten Bereichen, einschliesslich einiger aktueller ESS-Services, anfangs Rückschritte in Kauf nehmen.
Manchmal ist es schwierig, die aktuelle Situation richtig zu bewerten. Erst durch Veränderungen werden wir erkennen, was wir wirklich hatten. Der Neustart eröffnet uns jedoch die Chance, nach der Einführung konsequent an Verbesserungen zu arbeiten und unser Gesamtsystem auf ein neues Level zu heben. Der Wechsel zu Workday ist für uns ein wichtiger Schritt, um langfristig eine modernere, effizientere und benutzerfreundlichere HR-IT-Landschaft zu schaffen.
Frédéric Bracher
Frédéric Bracher setzt sich seit mehr als 30 Jahren für innovative und zukunftsorientierte Lösungen im HR-Operations bei Swisscom ein, derzeit als COO Human Resources. Daneben hat er auch die Entwicklung der Worklink AG geprägt, die den Menschen und insbesondere den Mitarbeitenden von Swisscom massgeschneiderte Career Coachings bietet.
Senior Manager @ Avenir Consulting AG und Co-Founder von skills.ch gmbh
2 WochenMerci vielmal, lieber Frédéric Bracher, dass wir die Swisscom immer mal wieder mit einem Kunden von uns besuchen dürfen. Der aktuelle Stand eurer Employee Self Services ist ein echtes #BestPractice Beispiel!!