Wir launchen einen neuen ThinkTank:  Die "Agora Digitale Transformation"​
Titelbild von Alan Warburton / © BBC / Better Images of AI / Plant / CC-BY 4.0

Wir launchen einen neuen ThinkTank: Die "Agora Digitale Transformation"

Die digitale Transformation ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Sie ist nicht nur wirtschaftlich relevant, sondern ruft zugleich Umbrüche in allen Gesellschaftsbereichen hervor. Die Stabilität unserer Demokratie hängt maßgeblich davon ab, wie wir diesen Wandel gestalten. Politische Akteure auf europäischer und nationaler Ebene haben erkannt, dass hier großer Handlungsdruck besteht.

Doch betrachtet man die Debatte und politische Maßnahmen zu gesellschaftlichen Fragen der Digitalisierung, wird deutlich, dass wir aktuell eher reaktiv statt proaktiv handeln. Die Risiken der Digitalisierung werden so nicht wirkungsvoll eingedämmt, Chancen für das Gemeinwohl nicht umfassend genutzt. Stetig damit beschäftigt, die zerbrochenen Scherben neuer technologischer Entwicklungen aufzukehren, verpassen wir die Chance, die Visionen einer besseren Zukunft zu diskutieren und die Weichen entsprechend zu stellen.

Im letzten Jahr haben wir in Workshops und Einzelgesprächen mit über 100 Expert*innen aus Politik, Verwaltung, Aufsichtbehörden, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft gesprochen, um die Ursachen für die Probleme der Digitalpolitik besser zu verstehen. Hierfür haben mein Kollege Oliver Bott und ich eng mit Peter Bihr , sowie mit Dr. Robert Peters , Bettina Schmietow vom Institut für Innovation und Technik (iit) zusammengearbeitet.

Die Ergebnisse dieser Exploration haben uns, die Stiftung Mercator GmbH , dazu veranlasst, einen neuen ThinkTank zu gründen. Die "Agora Digitale Transformation" wird dazu beizutragen, die digitale Tranformation entlang von demokratischen Rechten und Werten zum Nutzen der gesamten Gesellschaft zu gestalten. Die Organisation wird von uns zunächst über eine Laufzeit von 5 Jahren mit 8,6 Mio Euro gefördert.

In diesem Artikel möchte ich transparent machen, welche Erkenntnisse uns zu dieser Entscheidung geführt haben, in der Hoffnung, dass sie über die Gründung der neuen Organisation hinaus, hilfreich sein können, ganz im Sinne von #workingoutloud:

Aktuelle Herausforderungen bei der demokratischen Gestaltung der digitalen Transformation

In den Gesprächen wurde wiederholt die umfassende Expertise zu digitalpolitischen Fragen in Wissenschaft und Zivilgesellschaft gelobt. Auch wenn es unser aktuelles Ranking auf Platz 13 im Index für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) nicht vermuten lässt, Deutschland scheint hier auch im europäischen Vergleich sehr gut aufgestellt zu sein. Zugleich wurde in der Exploration deutlich, dass aktuelle Strukturen in der Akteurslandschaft zu Herausforderungen für die demokratische Gestaltung der Digitalisierung führen:

  1. Mangelnder Überblick: In vielen Fällen liegen Wissen und Evidenzen vor, gerade international. Es fehlt aber vielmals ein Überblick über dieses Wissen zu Problemen, mögliche Lösungsansätze, internationale Vorbilder und somit auch über tatsächlich noch zu füllende Evidenzlücken.
  2. Politische (Ir)relevanz der Digitalpolitik: Fachpolitiker*innen aller Parteien haben damit zu kämpfen, dass ihre Stimmen in weiten Teilen ihrer Parteien nicht gehört werden. Die breite Bevölkerung ist für die gesellschaftliche Relevanz der Digitalisierung kaum sensibilisiert.
  3. Silo-Denken: Diskussionen finden in Silos statt. Es mangelt an Räumen für Austausch zwischen Ressorts, Sektoren, über Länder und thematische Grenzen hinweg. Wechselwirkungen werden so nicht ausreichend erfasst, ganzheitliche Strategien können nur schwer entwickelt werden.
  4. Informations-Asymmetrie: Viel Wissen ist bei einzelnen großen Tech-Konzernen konzentriert, zu Lasten von Politik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft, KMUs und Startups. Auch mit Blick auf Zugang zu politischen Entscheidungsträger*innen besteht eine Machtasymetrie zwischen großen Wirtschaftskonzernen und der Zivilgesellschaft.
  5. Problematische Narrative: Der digitalpolitische Diskurs außerhalb der Fachszene ist geprägt durch dysfunktionale Narrative. Zu häufig liegt der Fokus auf technologischen Entwicklungen, die gesellschaftlichen Auswirkungen digitaler Technologien werden übersehen. Es fehlt an Toleranz für Ambiguität und häufig auch an passenden Begriffe und Narrativen, um die Vielfältigkeit der Veränderungen verständlich zu beschreiben.
  6. Fehlendes Handlungswissen: Wichtige Erkenntnisse, insbesondere aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft, erreichen häufig nicht die relevanten Entscheidungsträger*innen, weil sie nicht ausreichend in Handlungswissen übersetzt und über die richtigen Kanäle kommuniziert werden.

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Selbstverständlich wird eine Organisation alleine all diese Herausforderungen nicht lösen können. Wir sind allerdings überzeugt, dass die Agora Digitale Transformation in dem hier umrissenen Spannungsfeld wertvolle Beiträge leisten kann, wenn sie eng mit Partnern aus unterschiedlichen Sektoren zusammen arbeitet. Darüber hinaus hoffen wir, dass diese Analyse auch für die Arbeit anderer Akteure hilfreich sein kann.

Inspiration aus anderen Politikfeldern

Ein fragmentierter Diskurs, Machtasymmetrien zwischen wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren und ein fehlender Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Politik – die Herausforderungen, die vor neun Jahren zur Gründung der Denkfabrik Agora Energiewende und, später auch zur Gründung der Agora Verkehrswende durch die Stiftung Mercator GmbH Mercator und die European Climate Foundation führten, ähneln in einigen Punkten der oben beschriebenen Lage der Digitalpolitik. Die Arbeitsweise und Struktur der Organisationen waren für uns daher Vorbild. Zugleich wurde deutlich, dass sich das Politikfeld in vielen Punkten von der Energie- und Verkehrspolitik unterscheidet: So besteht beispielsweise keine konkrete Zielvision, wie das Erreichen des 1,5 Grad Ziels, erstrecht kein quantifizierbarer Kippunkt. Auch bringt der Querschnittscharakter der Digitalen Transformation neue Herausforderungen mit sich, denen herkömmliche Politik-Prozesse vielfach nicht gerecht werden können.

Aus den oben skizzierten Problemen und den Besonderheiten der Digitalpolitik ergeben sich einige Anforderungen an die neue "Agora Digitale Transformation":

  1. Die Organisation behandelt nicht nur einzelne technische Fragen, sondern stellt die Gesamtsystemoptimierung, in den Fokus, bei der Wechselwirkungen umfassend bedacht werden.
  2. Sie soll einerseits tagespolitische Analysen liefern, andererseits langfristige Visionen für die digitale Transformation entwickeln. Erkenntnisse in Handlungswissen zu übersetzen, Einordnungen und Überblickswissen zu schaffen werden ebenso eine Rolle spielen, wie Wirkungsmessung und strategische Vorausschau.
  3. Viele Aspekte der digitalen Transformation müssen über Ländergrenzen hinaus gedacht werden. Als deutscher ThinkTank wird die Agora Digitale Transformation sich eng mit entscheidenden Akteuren in Europa und darüber hinaus vernetzen. Internationales Lernen zu ermöglichen, wird Teil ihrer Aufgaben sein.
  4. Die Organisation kopiert nicht die Modelle bestehender Thinktanks und wissenschaftlicher Institute. Sie schafft keine Parallelstrukturen. Vielmehr ist sie gekennzeichnet durch ihre Vernetzungsfunktion und ihre enge Zusammenarbeit mit Partner*innen.
  5. Um 1-4 umzusetzen, ist die Arbeit der Organisation durch eine duale Struktur gekenntzeichnet:

  • Eine wissenschaftliche Analyseeinheit, die – orientiert am politischen Beratungsbedarf – neue Erkenntnisse und Lösungsansätze erarbeitet.
  • Einen Rat der Agora, in dem Akteure aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und der Wissenschaft regelmäßig zusammenkommen, in geschützter Atmosphäre diskutieren und Konfliktpunkte sowie Herausforderungen identifizieren. Die Organisation schafft ein Forum, in dem unterschiedliche Meinungen nicht nur nebeneinandergelegt, sondern im Idealfall zusammengeführt werden oder die weitere Erforschung von Lösungsansätzen in Gang setzen.

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Für uns war schnell klar: An der Spitze der Organisation braucht es eine Person mit fachlicher Expertise, großem Politikverständnis, strategischem Weitblick, und einem diversen Netzwerk.

Wir freuen uns daher sehr, dass Stefan Heumann die Geschäftsführung der Organisation ab Januar 2023 übernehmen wird.

"Die Agora Digitale Transformation aufzubauen, ist für mich eine der derzeit spannendsten Aufgaben in der Digitalpolitik. Wir werden uns daran messen lassen, wie gut wir wissenschaftliche Erkenntnisse in konkrete Empfehlungen für die Politik übersetzen.“
- Stefan Heumann, zukünftiger Geschäftsführer der "Agora Digitale Transformation"

Der interface (formerly SNV) (SNV), welche er aktuell zusammen mit Anna Wohlfarth leitet, bleibt er auch künftig durch die Mitgliedschaft in dessen Beirat verbunden. Auch für uns bei der Stiftung Mercator GmbH stellt die SNV nach wie vor einen zentralen Akteur in der Digitalpolitik und einen kompetenten und verlässlichen Projektpartner dar, mit dem wir aktuell in 3 Projekten zusammenarbeiten.

Entscheidungen über die Werte und Normen, die dem Einsatz und der Gestaltung digitaler Technologien zugrunde liegen, sind im Kern Entscheidungen über die Zukunft unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Wenn wir sicherstellen wollen, dass diese Entscheidungen in wissenschaftsbasierten, partizipativen und demokratischen Verfahren getroffen werden, braucht es eine neue Form der Politik- und Wissensarbeit. Wir sind überzeugt, dass die "Agora Digitale Transformation" hierzu einen wertvollen Beitrag leisten kann.


Dank und Info zu unserer Arbeit im Bereich "Digitalisierte Gesellschaft":

Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen Personen, die uns bei der Exploration zur "Agora Digitale Transformation" beraten, ihre Erkenntnisse, Einblicke und Erfahrungen geteilt und Offenheit für Zusammenarbeit gezeigt haben. Ein besonderer Dank gilt Wolfgang Schulz vom Alexander von Humboldt Institute for Internet and Society , der die Idee der Agora von Anfang an maßgeblich geprägt und den Prozess mitbegleitet hat.

Im Bereich "Digitalisierte Gesellschaft" der Stiftung Mercator setzen wir uns dafür ein, dass digitale Technologien in Deutschland und in Europa im Einklang mit demokratischen Rechten und Werten weiterentwickelt und genutzt werden. Die Agora Digitale Transformation ist eines von 30 Projekten, die wir seit Start des Bereichs gefördert haben. Dabei wir vor allem mit Partnern aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft und schaffen Räume für den vertrauensvollen Austausch und den Aufbau von Netzwerken - über Sektoren und Ländergrenzen hinweg. Aktuell sind wir vor allem in vier Fokuspunkten aktiv: 1. Digitale Öffentlichkeit, koordiniert durch David Alders 2. Grundrechtsschutz und Automatisierung, koordineirt durch Florian F. Christ 3. Digitalisierung und Regieren, koordiniert durch Oliver Bott 4. Nachhaltige Digitalisierung, koordiniert durch Lea Wulf .

Tina Lorenz

Department Lead Artistic Research & Development | ZKM Karlsruhe

2 Jahre

Super Initiative! Gerne auch in den Reihen der kulturpolitisch Arbeitenden schauen - die Kultur(politik) als Vermittler:in gesellschaftlicher Wandlungsprozesse kann hier sicherlich einiges beitragen.

Tina Müller

CEO bei Weleda AG | Strategie, Transformation, Führung

2 Jahre

Sehr gute Initiative. Wir benötigen mehr Tempo und Mut bei der Digitalisierung aller Bereiche und vor allem bei Verwaltung und Gesundheitswesen zum Wohle aller. Viel Erfolg!

Karen Hoffmann

Erfolgreiche Organisationen haben engagierte Mitarbeitende und zufriedene Kunden und Partner. Kommunikation vereint all diese Zielgruppen für eine starke Reputation und eine resiliente Struktur.

2 Jahre

Tolle Initiative. Danke Stiftung Mercator GmbH .

Daniel Sahl-Corts

Geschäftsführer VDMA Hauptstadtbüro | #transformation #geoeconomics #techmatters | TOP40@CAPITAL | former BMWK, BDI, Capgemini

2 Jahre

Stark. Ich freue mich auf die Impulse. 👏

Frederik Blachetta

Partner PwC | Driving Digital Change in Government

2 Jahre

Klasse Initiative & auch wir aus der Verwaltung werden aus Kräften unterstützen! Danke für eure Arbeit sowie diese Transparenz!

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