Rechtschreibdebatte - bitte mehr Neugierde für die besten Lösungen
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Rechtschreibdebatte - bitte mehr Neugierde für die besten Lösungen

Kurzer Gedanke am Morgen.

Ministerpräsident Wilfried Kretschmann hat eine kontroverse Debatte über die Bedeutung von Rechtschreibung ausgelöst. Interessant ist, dass die Reaktionen meines Erachtens einem bekannten Muster folgen: Es herrscht wenig Offenheit und Selbstbewusstsein, sich mit dem Wandel aktiv und positiv auseinanderzusetzen.

Wäre es nicht besser, wenn wir alle (Gesellschaft, Politiker:innen, Medien, ...) als Reaktion interessiert fragen würden: Welche Kompetenzen werden denn zukünftig die Relevanten und müssen wir Schwerpunkte im Schulunterricht anpassen (oder halt nicht)? Wäre das nicht der Anspruch, den wir haben müssten, wenn wir die Zukunft und das Bildungswesen bestmöglich gestalten wollen? Dieser interessante Gedanke steckt meines Erachtens hinter Kretschmanns Satz "Was müssen wir anders machen, damit wir die Welt verstehen?". Das erfordert, dass wir nicht schwarz-weiß "Rechtschreibung ja oder nein" denken, sondern: "Rechtschreibung ist wichtig. Punkt. Was ist noch wichtig? Wie ist eine gute Verteilung der Schwerpunkte im Unterricht? Welche sind die richtigen pädagogischen Konzepte?". Es erfordert eine Offenheit für die Zukunft, den Anspruch die Zukunft gestalten zu wollen und eine Neugierde für die besten Lösungen.

Ich stimme Ministerpräsident Kretschmann im Kern zu: Rechtschreibung ist wichtig und notwendige Grundkompetenz. Die Notwendigkeit, sie in der Intensität von früher zu vermitteln nimmt ab, weil wir heute Hilfestellungen durch Programme und Geräte erhalten, die uns bei der korrekten Anwendung der Rechtschreibregeln unterstützen. Dieser Fortschritt, der auch durch die Methoden der Künstliche Intelligenz befördert wird, ist gut. Er bringt uns viele Vorteile. Aber er erfordert auch, dass wir z. B. verstehen, warum uns Word oder unser E-Mail-Programm Vorschläge für die korrekte Rechtschreibung machen kann. Wie lernt Siri, Dinge beim dritten Mal richtig zu schreiben und woher weiß Siri, wie der Name des Herrn Meyers korrekt geschrieben wird, dem ich gerade eine SMS diktiere, obwohl es dafür mehrere unterschiedliche Schreibweisen gibt? Diese Kenntnisse sind z. B. auch wichtig, um die Welt zu verstehen. Sie stehen nicht in Konkurrenz zur Rechtschreibung, sie ergänzen unser Kompetenz-Portfolio.

Just my two cents. 

Christian Gawron

Professor für Internettechnologien | IBM Alumnus | #gernePerDu

4 Jahre

Auf der Metaebene geht es hier um die Frage, welche grundlegenden Kompetenzen man als Mensch für ein gelungenes Leben braucht. Und natürlich gibt es da einen Wandel: Heute kann man – anders als vor 100 Jahren – sehr gut leben, ohne dass man Socken stopfen oder ein Pferd reiten kann.  Heute nehmen uns unsere digitalen Helfer eine ganze Menge von Aufgaben ab. Zwei Kompetenzen halte ich dennoch für sehr wichtig im Leben: Kleine Rechenaufgaben zumindest überschlagsmäßig im Kopf lösen können und überzeugende, gut lesbare Texte verfassen können. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass viele, die heute ein Studium aufnehmen, beim Schreiben von Texten Schwierigkeiten haben.

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Prof. Dr. Patrick Glauner

AI R&D | Executive and Political Advisor | Quantum Computing | ex-CERN

4 Jahre

Eine exzellente Rechtschreibung ist zwingend notwendig für ein exzellentes Sprachverständnis und ausgezeichnete rhetorische Fähigkeiten. Ähnliche Forderungen zum angeblich nicht so notwendigen Kopfrechnen gibt es schon seit der Einführung von Taschenrechnern. Gezeigt hat sich, dass ohne eine Beherrschung der Grundlagen auch keine Beherrschung der fortgeschrittenen Themen mehr möglich ist. Rechtschreibprogramme, Taschenrechner und andere Programme oder Geräte dürfen immer nur unterstützend wirken. Wenn wir uns an jeder Stelle darauf verlassen und Grundkompetenzen abbauen, folgt zwangsläufig eine mentale Abwärtsspirale. Durch Fortschritte in der KI ist die Kreativität der Menschen gefragter denn je und dazu brauchen wir eben auch weiterhin eine exzellente Beherrschung von Grundlagen wie Rechtschreibung und einem Verständnis von Zahlen.

Lothar Münch

Production and Automotive Interim Management CEO, COO, CRO, CTO, Geschäftsführer, Werkleiter - #Automotive, #Rail, #Maschinenbau, #Industrie, #Produktion

4 Jahre

Ups! Das ist auch nicht die beste Formulierung: "..., was mich die Diskussion zur Rechtschreibung so stört."

Katharina Kluge

Scrum Master & Projektleiterin

4 Jahre

Wunderbar. Danke fürs Thematisieren. Ich habe mich erst kürzlich in einem Lehrer-Eltern-Gespräch darüber beschwert, dass deutsche Grundschule heute aktuell und zukünftig erforderliche Kompetenzen nicht im Fokus hat.  Sorry, aber das Gros der deutschen Lehrerschaft und die Schulverwaltung bekommt nicht mit, wie sich die Welt gerade wandelt. Sie sind doch sehr dem Althergebrachten verbunden. Den Lehrer:innen kann man es vielleicht nicht vorwerfen, aber die Schulverwaltung sollte es bitte antizipieren und zusehen, dass die Lerncurricula entsprechend weiterentwickelt werden. 

Rolf Landolt

bei Bund für vereinfachte rechtschreibung (gegründet 1924)

4 Jahre

@Sebastian Wolf Siebzehnruebl Was soll die ki mit «der gefangene floh» anfangen? Was macht denn die gesprochene sprache damit? Selbstverständlich kann man es kontextualisieren, auch ohne die sehr junge substantivgrossschreibung. Es gibt keine sprache ohne kontext: Bei «Anzeige» weiss auch jeder, was gemeint ist (advertisement, advice, notice, display, complaint). https://ortografie.ch/vorschlaege/eigennamengrossschreibung_leser.php#disamb

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