Der PayGap beginnt im Kinderzimmer
von Almut Schnerring
Sie ist ermüdend, die Diskussion um die Höhe und Relevanz des Gender Pay Gap, die Zahl, mit der der durchschnittliche Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen belegt wird. In den Kommentarspalten geht es um einzelne Prozentpunkte, Studien werden ignoriert, und spätestens, wenn jemand die eigentliche Ursache des PayGap einbringt, nämlich den CareGap, dann beginnen die Beleidigungen. Was dabei oft übersehen wird: Wie irrelevant die Diskussion plötzlich wird, wenn man bedenkt, dass schon Mädchen über weniger Geld verfügen als Jungen. Ja, es gibt einen Taschengeld-Gap. Je nach Umfrage liegt er zwischen 4 und 35%. (LBS-Kinderbaromter 2017; Kinder-Medien-Studie 2019; Studie der Halifax-Bank 2020; Forsa-Studie für Blue Ocean Entertainment 2021)
Verhandeln Mädchen also schlechter? Sind sie selbst Schuld, weil sie nur halbtags zur Schule gehen? Wählen sie die falschen Jobs? Kümmern sie sich um die Schwiegermutter des Kindergarten-Freundes? Was also bleibt übrig von der Diskussion, wenn wir uns vor Augen führen, dass wir gesamtgesellschaftlich der Meinung sind, Söhne hätten mehr Geld verdient als Töchter?
Ja, vermutlich gibt es ihn seltener innerhalb einer Familie als generell bei Söhnen und Töchtern im deutschen Vergleich. Doch zu oft passiert unbewusst, dass der Sohn in einem Alter die nächste Erhöhung bekommt, in dem die ältere Schwester noch weniger Taschengeld bekam. Gar nicht zu reden davon, dass Rasemähen und Autoputzen vielen eine extra Belohnung wert sind, während Küche aufräumen und Wäsche abhängen unbezahlt bleiben.
Auch der CareGap beginnt im Kinderzimmer.
Und diese Aufgaben sind leider nicht fair verteilt, Mädchen müssen auch heute noch häufiger im Haushalt mithelfen und sich um jüngere Geschwister kümmern, denn auch der Gender Care Gap beginnt im Kinderzimmer.
Der Gender Care Gap ist die Hauptursache für den Gender Pay Gap, hier müssen wir ansetzen: Unsichtbare Care-Arbeit wird gesamtgesellschaftlich geringgeschätzt. Wer in der Erwerbsarbeit kürzer tritt, um mehr Zeit für die Kümmerarbeit zu haben, trifft damit angeblich eine private Entscheidung und hat es ja nicht anders gewollt. Anders gesagt: weil Frauen sich häufiger kümmern, um Kinder und Kranke, um pflegebedürftige Familienmitglieder, dafür, dass sie die Hauptlast der Care-Arbeit übernehmen, werden sie (finanziell) bestraft, denn in der Folge sind sie auch häufiger von Altersarmut betroffen (RentenGap 46%) – Ist es dieser Missstand, den PayGap-In-Frage-Steller verteidigen wollen? "Zwingt sie doch niemand, in Teilzeit zu arbeiten!" - können wir in diese Diskussion bitte mit aufnehmen, dass sich Care-Arbeit nicht von alleine macht und unser gesamtes Wirtschaftssystem auf privater Care-Arbeit basiert und von ihr abhängt? Es geht bei der Diskussion um den PayGap nicht um Prozentpunkte, sondern um die gesamtgesellschaflich mangelnde Wertschätzung gering- und unbezahlter Care-Arbeit! Und dieses Problem beginnt ab Geburt.
Argumente derer, die mit Absicht unfair bezahlen:
Menschen, die den PayGap korrekt finden, die gibt es auch beim Taschengeld-Gap: Manche geben ihrer Tochter wissentlich weniger Geld als ihrem Sohn und finden das richtig so. Hier ein paar Beispiele der Antworten, Erklärungen und Schuldzuweisungen, die uns per Mail erreichen oder in Diskussionen im Anschluss an unsere Vorträge vorgebracht werden:
Fazit: Die Diskussion bleibt im Individuellen stecken, macht Einzelne (Mädchen bzw Frauen) für einen Missstand verantwortlich, während die strukturelle Schieflage und die Prägung der #RosaHellblauFalle unter den Teppich gekehrt wird. Ja, natürlich gilt es, das eigene Verhalten zu reflektieren und zu verändern, aber ohne veränderte Verhältnisse, ohne Strukturen, die eine faire Behandlung, EqualPay und EqualCare fördern, wird das nicht ausreichen. (manifest.equalcareday.de)
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3 JahreUh, das ist übel. Ich bin immer wieder fassungslos, was es alles (noch) gibt.
Privatiere
3 JahreIch finde, dass Mädchen mehr Taschengeld bekommen sollen. Schließlich benötigen sie all das teure Schminkzeug, damit sie auch wirklich eingeladen werden….geht’s noch?! Was denke ich helfen würde: Groß angelegte Kampagnen mit konkreten Beispielen von Frauen, die für ihre Aufopferung einen hohen Preis gezahlt haben, und dem Appell: Willst auch Du keine arme, alte Frau sein? Mach’s besser, steh auf eigenen Füßen und such Dir einen Partner:in, der Dir in allen Belangen die gleichen Rechte zugesteht. Wähl keinen Beruf, der schlecht bezahlt wird, egal wie erfüllend Du ihn findest. Du kannst warten, bis der Markt das regelt. Gehe nur in Teilzeit arbeiten, wenn Dein Partner das auch tut, genau so lange. Wenn Du einen Kita-Platz suchst, ruf die Stadtverwaltung jeden einzelnen Tag der Woche an und frage höflich, aber bestimmt nach einem Kita-Platz. Lass Dir von Deiner Chef:in genau erklären, wer nach welchen Maßstäben bezahlt wird, und wo Du da exakt stehst und warum. Schließe eine Rechtsschutzversicherung ab und klage Deine Rechte konsequent ein. Frei bist Du nur, wenn Du so frei bist wie ein Mann. O-Ton Hedwig, 82 Jahre, Witwe, 3 Kinder, 550 EUR Witwenrente.
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3 JahreKlasse zusammengefasst, liebe almut schnerring! Wir müssen endlich damit aufhören, strukturelle Misstände zu individualisieren, vielen Dank für den Artikel! 👏 👍 ""Zwingt sie doch niemand, in Teilzeit zu arbeiten!" - können wir in diese Diskussion bitte mit aufnehmen, dass sich Care-Arbeit nicht von alleine macht und unser gesamtes Wirtschaftssystem auf privater Care-Arbeit basiert und von ihr abhängt?"