Agile Führung = Schnelle Führung?!
Digitalisierung und die Nutzung agiler Methoden ziehen einige Konsequenzen für das Organisationsdesign, Lernumgebungen oder Teamrollen nach sich. Eine weitere der vielen Konsequenzen ist die Veränderung der Führungsrolle, über die bereits viel geschrieben wurde. Hier wollen wir einen Aspekt beleuchten, der auf folgende Frage zurückgeht:
„Wenn sich in der modernen Wirtschaft alle Prozesse beschleunigen, muss sich dann auch die Geschwindigkeit von Führung erhöhen?“
Führung beschleunigen? Wie soll das gehen? Gerade Top-Manager sind von der zunehmenden Arbeitsverdichtung in den letzten Jahren besonders betroffen. Ein Blick in einen typischen Kalender zeigt dies überdeutlich. Somit könnte en bereits heute kritischer Zustand in der agilen Welt noch kritischer werden. Es ist offensichtlich, dass die Wartezeit auf Termine mit Managern oder die Dauer von Entscheidungen kürzer werden müssen.
„Führung muss schneller werden!“
Jetzt werden die Vertreter der agilen Welt diese Forderung als Beleg dafür nehmen, dass mehr Verantwortung und Handlungsspielraum an die Teams delegiert werden muss. Dies mag zukünftig erstrebenswert sein, in der aktuellen Übergangsphase hilft es jedoch kaum weiter. Die gegebenen Rahmenbedingungen, man denke nur an die Gesetzeslage bei Arbeitsrecht und Mitbestimmung, sowie die noch nicht ausreichend entwickelte Motivation und Kompetenz der Mitarbeiter, lassen dies nur teilweise zu.
Bedenken gegen eine Beschleunigung von Führung sind auch aus einem anderen Blickwinkel zu erwarten. Es gibt viele Menschen, die Geschwindigkeit und Qualität / Leistung als Gegensatzpaar sehen. Dies ist falsch!
„Es ist ein Trugschluss anzunehmen, dass schnelle und hochwertige Führung nicht zusammenpassen.“
Das Gegenteil von schnell ist langsam und das Gegenteil von Qualität ist niedrige Qualität. In vielen Funktionen gehören hohe Geschwindigkeit und Qualität untrennbar zusammen. Denken Sie an einen Chirurgen, der fachlich korrekt (zum angestrebten Ergebnis) und schnell (kurze Narkosezeit und geringeres Infektionsrisiko) operieren muss. Auch der Spitzenkoch wird stets hochwertig (exzellenter Geschmack und perfekte Optik) und gleichzeitig schnell (die Teller aller Gäste eines Tisches zur gleichen Zeit und warm) arbeiten.
„Professionalität bedeutet, exzellent und schnell zu sein.“
Das gleiche gilt für die Rolle der Führungskraft. Entscheidungen sind fundiert und zeitnah zu treffen, Feedback präzise und umgehend zu geben usw.
Schnelle Führung ist bessere Führung. Dies beweist auch die Forschungsarbeit von Jo Folkmann und Jack Zenger, den Organisationsexperten aus den USA. Sie haben über viele Jahre intensiv an den Faktoren gearbeitet, die exzellente Führung ausmachen und in ihrem Extraordinary Leadership Modell beschrieben.
Bei der Frage, wie die Geschwindigkeit von Führung (Leadership Speed) wahrgenommen wird und die Ergebnisse der Organisation beeinflusst, zeigten sich eindeutige Ergebnisse. Von allen befragten Mitarbeitern und Führungskräften sagten:
- 83%: I feel that I am often expected to move faster and do more
- 61%: Too often I am frustrated that our organization moves too slow and gets stalled
- 70%: If this organization were to move faster, it would substantially influence our success
Von den als besonders gut bewerteten Führungskräften (360° Feedbacks) waren 74% besonders schnell aber nur 13% arbeiteten eher langsam.
Die anstehende agile Transformation ist eine exzellente Gelegenheit, den eigenen Führungsstil nicht nur an agiles Arbeiten an sich anzupassen, sondern auch die Geschwindigkeit zu erhöhen. Eine Hürde ist dabei zu nehmen: Nahezu alle Führungskräfte werden von sich behaupten, bereits schnell zu arbeiten und wenige Chancen zu sehen, noch schneller Leistung zu bringen. Anders ausgedrückt, es fehlt an dem Wissen darum, wie die entsprechende Kompetenzentwicklung gestaltet werden kann. Auch hier bietet die Arbeit von Zenger und Folkman einen Ansatzpunkt. Sie haben acht Kompetenzen identifiziert, deren Entwicklung in einem Cross-Training-Ansatz (zur Logik vergl.: LINK ) automatisch zu größerer Führungsgeschwindigkeit führt:
Mit diesem Wissen kann jede Führungskraft, ggf. unterstützt durch die Personalabteilung, individuell wirksame und in den eigenen Arbeitskontext verankerte Entwicklungsmaßnahmen umsetzen. So kann schnell und mit vergleichsweise geringem Aufwand ein großer Schritt nach vorne gemacht werden.
Zusammengefasst ist die aktuell anlaufende Agile Transformation in vielen Unternehmen die ideale Gelegenheit, auch die eigene Führungsleistung zu steigern. Auch und ganz besonders durch mehr Leadership Speed!
Weitere Quellen und Links:
http://zengerfolkman.com/webinars/ à Jo Folkman, The Key to Organizational Agility – Leadership Speed (August 2016)
8 Ways To Get Work Done Faster: http://www.forbes.com/sites/joefolkman/2015/03/23/8-ways-to-get-work-done-faster/#39eac21975f9
Enterprise Architect, Hamburg Port Authority (HPA)
7 JahreBin ein Freund agiler Vorgehen, aber Entscheidungen sollten nicht einer Line Management Rolle vorenthalten sein, entscheidende Kriterien kommen doch meistens von Kunden. Insb bei der Entwicklung von neuen Lösungen oder Diensten sollte das Vertrauen vom Management auf einer high level Ebene da sein, um dem Vorhaben genügend Raum zum Atmen zu lassen.
Managing Director @ HB Hunte Engineering GmbH
7 JahreHallo Frank, ich stimme dir zu, dass ein agiles System im Allgemeinen auch eine schnellere Führung bzw. Entscheidungen erfordert. Unabhängig davon glaube ich aber, dass schnellere (und effizientere) Führung vielen Unternehmen mit lähmenden Hierarchien sowieso gut tun würde. Sozusagen als "Basic Need". Danke für den Link !
Geht es bei der agilen Führung nicht viel mehr darum, dass in einer kürzeren Periode Feddback auf die getroffenen Entscheidungen etc. erfolgt, so dass die Richtung ggf. früherer adaptiert und/oder korrigiert werden kann? Weiterhin liegt der große Mehrwert darin, gemeinsam das Ziel zu bestimmen. Der Führungskraft obliegt immer noch die Entscheidung für Stop, Go oder nochmal von Vorne.