In der Schweiz wachsen schätzungsweise 20'000 Kinder und Jugendliche in Heimen oder bei Pflegeltern auf – genaue Statistiken dazu gibt es bisher keine. Mit dem 18. Lebensjahr ist die Finanzierung für die ausserfamiliäre Platzierung oft nicht mehr gesichert und die Jugendlichen müssen von einem Tag auf den anderen die Institution verlassen, dies ohne finanzielle oder emotionale Unterstützung. Im Fachjargon wird diese Personengruppe unter dem Begriff "Careleaver" gefasst. Studien belegen, dass nur 1% dieser Jugendlichen eine höhere Ausbildung schafft; viele landen bei der Sozialhilfe oder werden gar obdachlos.
Anstatt Careleaver*innen besser zu unterstützen und diese Tendenz als ein Versagen des Systems anzuerkennen, werden Betroffene oft stigmatisiert. Dies fängt bereits früh an, z.B. wenn Heimkinder in der Schule weniger gefördert werden. Auffallendes Verhalten von Betroffenen wird sanktioniert, anstatt als Symptom verstanden: Heimkinder sind Problemkinder. Tatsache ist, dass Careleaver*innen aus schwierigen familiären Verhältnissen stammen, psychischen und/oder physischen Missbrauch erlebt haben, sexuell misshandelt wurden, die Eltern suchtkrank oder tot sind.
Um diesen Kindern und Jugendlichen eine Stimme zu geben, wurde der Verein Careleaver Schweiz gegründet. Seit der Gründung des Vereins hat Rose B. massgeblich dazu beigetragen, die Perspektive von Careleaver*innen in die Politik und das gesellschaftliche Bewusstsein zu bringen. Rose wird sich aber nächstes Jahr nicht mehr als Co-Präsidentin des Vereins stellen: "Die Energie für diese anspruchsvolle Aufgabe ist aufgebraucht." Im Interview des Landboten spricht Rose darüber, wie der Verein mittlerweile zwar zu Fachtagungen eingeladen, aber noch immer nicht genügend ernst genommen wird: "Das fehlende Verständnis der Fachwelt wühlt mich oft auf. Die soziale Arbeit denkt nicht sozial, sondern in ihren professionellen Settings."
In den vergangenen drei Jahren hat Rose sich stark dafür eingesetzt, die Bedingungen von Careleaver*innen in der Schweiz zu verbessern. Dies hat sie nicht aus einer privilegierten Position getan, sondern als selbst Betroffene. Wie beeindruckend ihr Einsatz war und welche Stärke sie bewiesen hat, ist für Aussenstehende wohl kaum fassbar. Umso mehr ist das aber Careleaver*innen bewusst, die selbst nicht die Kraft hatten, öffentlich Stellung zu beziehen.
Aus grossem Respekt und Dankbarkeit möchte ich mich deshalb auch sichtbar machen. Ich bin auch Careleaverin und habe durch Rose eine Stimme erhalten. Die Arbeit von Careleaver Schweiz war für mich persönlich von grosser Bedeutung. Ich weiss aber auch, wie viel Kraft und Anstrengung dies Rose gekostet hat. Es ist mir ein grosses Anliegen, dass ihr unglaublicher Einsatz anerkannt wird. Viele in der Schweiz wissen nicht einmal, dass wir existieren und mit welchen strukturellen Hürden wir konfrontiert sind – es braucht dringend eine Verbesserung des Systems!
Vielen herzlichen Dank für den tollen Empfang und die vielen Geschenke! Die werden viele Kinderaugen zum Leuchten bringen. 💙